Die Unternehmen hoffen wiederum, dass ein Freihandelsabkommen zwischen der fünftstärksten Wirtschaftsmacht und der Europäischen Union endlich zustande kommt, um ihnen den Handel zu erleichtern. Doch Deutschland und die EU sind nicht allein unterwegs. Viele weitere Volkswirtschaften wollen die Beziehungen zu Indien stärken, etwa die USA, die Indien eine Kooperation bei der Energiewende angeboten haben.
Das Freihandelsabkommen wird bereits seit 2007 verhandelt. Die letzten Gespräche scheiterten im Jahr 2013. Deutschland hatte sich von Indien ab- und stärker China zugewandt. „Anders als die 2013 gescheiterten Gespräche sind die jetzigen Verhandlungen von dem Paradoxon gekennzeichnet, zugleich einfacher und komplizierter zu sein“, beschreibt die Stiftung Wissenschaft und Politik die Lage. Sie seien einfacher, weil die EU und Indien heute in geopolitischen Fragen – vor allem mit Blick auf China – mehr Übereinstimmungen haben als je zuvor. Sie seien aber auch komplizierter, weil der Erfolg der Verhandlungen weiterhin von schwierigen Zugeständnissen auf beiden Seiten abhängt.
Erneut zu scheitern ist aus Sicht der Stiftung allerdings weder für Indien noch für die EU mit Blick auf die Zukunft ihrer strategischen Partnerschaft eine Option. Bis Ende des Jahres soll das Abkommen idealerweise unterschriftsreif sein, weil 2024 sowohl in Europa als auch in Indien Wahlen anstehen. Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), ist skeptisch, ob das klappt. Ein starkes Signal wäre für ihn zunächst ein Investitionsschutzabkommen der EU mit Indien. Wie und wann auch immer die Verhandlungen enden werden: Der DZ-BANK-Experte von Zastrow empfiehlt: „Das Engagement deutscher Mittelständler in Indien sollte nach meiner Auffassung nicht ausschließlich von einem bestehenden Freihandelsabkommen abhängen.“ Viele deutsche Unternehmen seien bereits in Indien aktiv und würden erfolgreich Geschäfte machen. „Der indische Markt bietet unabhängig von einem Freihandelsabkommen große Chancen für deutsche Mittelständler.“ Warum der Markt so wichtig ist, zeigt ein Blick auf die Wirtschaftsdaten: Indien gelang in den vergangenen Jahren ein stetiges Wirtschaftswachstum, 2022 waren es fast 7 %. Nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) wächst das Land weiter – in diesem Jahr um 6,1 % und 2024 sogar um 6,8 %. In diesem Tempo könne das Land Deutschland als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt im Jahr 2025/26 ablösen, prognostiziert der IWF. Nicht nur die indische Wirtschaft wächst, auch die Bevölkerung, die inzwischen bei 1,425 Milliarden Menschen liegt und damit China als das bevölkerungsreichste Land der Welt abgelöst hat.