Außenhandel aktuell

Wirtschaftliche Abhängigkeit vor dem Hintergrund globaler Krisen

Der russische Angriffskrieg mit seinen gravierenden Folgen für die deutsche Wirtschaft warnt uns, wie dramatisch eine zu starke Abhängigkeit von einzelnen Ländern sein kann. Die Alarmglocken läuten! Aber auch mit Blick auf China müssen Deutschland und die EU unabhängiger werden. Politik und Wirtschaft müssen sich neu ausrichten und umdenken.

Vor dem Hintergrund aktueller globaler Krisen, ist vielen im Westen klar geworden, dass zu große Abhängigkeiten von einzelnen Staaten riskant sind. Insbesondere auf China sollte in der zukünftigen Wirtschaftspolitik der Fokus gelegt werden. Denn wer sich in der Kriegsfrage mit Russland solidarisiert und Taiwans Unabhängigkeit in Frage stellt, kann kein Partner sein, auf den ein Land übermäßig angewiesen sein sollte.

Wertschöpfungsbezogene Handelsdaten der OECD zeigen, dass Deutschland und die EU auf der einen Seite ihre Handelsanteile mit China immer weiter ausbauen und damit abhängiger werden, auf der anderen Seite China seine Export-Abhängigkeit seit 2007 von 4,4 Prozent auf die Hälfte verringert hat. Für Deutschland und die EU ein Zeichen sich unabhängiger zu machen und auf der Export- und Importseite zu diversifizieren.

Auch Geopolitisch betrachtet macht eine einseitige Abhängigkeit verwundbar, wie aktuell der Konflikt mit Russland beim Gas zeigt. Auf China sind wir insbesondere bei einigen kritischen Rohstoffen, wie Magnesium und seltenen Erden angewiesen.

Die Neue Seidenstraße – offiziell die Belt and Road Initiative (BRI) – ist das Prestigeprojekt des chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Verkleidet als Infrastruktur- und Logistikprojekt ist sie der strategische Kern von Chinas Bestrebungen, sich aus der maritimen Umklammerung der USA zu befreien. Man kann davon ausgehen, dass aktuell bis zu 90 % des chinesischen Außenhandels auf dem Seeweg abgewickelt werden. Die mit Abstand führende Seemacht sind die USA, die mit ihrer Marine und ihrem weltumspannenden Netz von Marinebasen und Allianzen die Machtmittel haben, im Falle eines Falles den chinesischen Außenhandel zu blockieren.

Deshalb zielt die Neue Seidenstraße darauf ab, die eurasische Landmasse als chinesisches Hinterland dem Zugriff der USA zu entziehen und gleichzeitig Chinas Zugang zu den Absatzmärkten der EU zu sichern. Für die Umsetzung braucht China Russland, die führende Territorialmacht in Eurasien. Doch Vladimir Putins Angriff auf die Ukraine hat Chinas Eurasienstrategie ins Wanken gebracht. Zwischen Russland und dem Westen hat eine neue Eiszeit begonnen. Und sollte Vladimir Putin sich mit seinem Ziel durchsetzen, die Ukraine als Vasallenstaat in ein ethno-russisches Großreich einzugliedern, dann wäre das der Beginn eines neuen Kalten Krieges. Ein neuer Eiserner Vorhang würde Russland und seine Satellitenstaaten – darunter auch Weißrussland, das sich bei Russlands Angriff auf die Ukraine der Mittäterschaft schuldig gemacht hat – von der EU trennen. Die Neue Seidenstraße als eurasische Logistikbrücke zwischen China und Westeuropa wäre damit erledigt.

Rund 70 Länder sind bislang in Projekte der Neuen Seidenstraße eingebunden. Pakistan, Sri Lanka, und Kirgisien. Laos, Kasachstan und Ungarn. Über 900 Milliarden Dollar investiert China in Straßen, Zugstrecken, Häfen, Kraftwerke, Pipelines und Flughäfen.

Laut einer US-amerikanischen Studie werden knapp 90 Prozent der Aufträge bei dem Riesen- Projekt entlang der Neuen Seidenstraße an chinesische Unternehmen vergeben. Profiteure sind folglich vor allem chinesische Bau-, Stahl- und Transportunternehmen, die die Infrastrukturprojekte mit umsetzen. International bleibt das Projekt umstritten. Malaysia hat große Skepsis an der Neuen Seidenstraße geübt und zieht ein großes Investment zurück. Mega-Investitionen nach chinesischen Regeln und zum eigenen Vorteil. China investiert, vergibt Kredite an andere Länder und schafft Abhängigkeiten, die China in Zukunft aber auch zum Verhängnis werden könnten: Kredite in Höhe von 840 Milliarden, die Peking seit 2013 anlässlich der „Neuen Seidenstraße“ vergeben hat, um weltweit neue Handelswege zu bauen, können nicht mehr wie geplant zurückgeführt werden.

Immer mehr Länder wenden sich an China mit der Bitte, die Kredite neu zu strukturieren, da sie auch als Folge der Pandemie nicht mehr bedient werden können. Das betrifft vor allem Asien, Afrika und Lateinamerika. Insgesamt mussten in den Jahren 2020 und 2021 Kredite im Wert von 52 Milliarden neu verhandelt werden. Laut einer Studie des New Yorker Research-Instituts Rhodium stehen derzeit 118 Milliarden, also 16 Prozent des Gesamtkreditvolumens auf der Kippe. Die Folgen davon können nicht vertuscht werden, der Banken- und Finanzsektor im Land erschüttert, der Inlandkonsum bricht ein und die Jugendarbeitslosigkeit ist unter anderem auf 20 Prozent, dem Höchststand, angelangt.

Damit das Dilemma nicht allzu stark ausfällt, sollten die EU und Deutschland ihre Abhängigkeit von China reduzieren. China ist aber schlicht zu groß, um sich ganz abkoppeln zu können. Daher geht es vor allem darum, die Partnerschaften zu anderen Ländern auszubauen. Dringend nötig sind dazu vor allem Freihandelsabkommen mit wichtigen Staaten in Asien wie Indien und Indonesien. Das sorgt für eine Diversifizierung und reduziert die Abhängigkeit von China (China Plus One Strategie1). Noch konnten allerdings die Verhandlungen der EU mit anderen Staaten zu keiner Einigung führen.

1China Plus One meint die Geschäftsstrategie, die vermeidet nur in China zu investieren und das Geschäft in andere Länder auszuweiten.

 

1China Plus One meint die Geschäftsstrategie, die vermeidet nur in China zu investieren und das Geschäft in andere Länder auszuweiten.

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Abteilungsleiter Helmut Jung